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Klavier spielen ohne Noten

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Klavier spielen ohne Noten – geht das überhaupt?

Ja, natürlich geht das: Klavierspielen – frei und ohne Noten, ganz nach Intuition. Auch wenn das manchen Ohren eine ketzerische Aussage ist, bei der sich insbesondere bei so manchem Klassikfan der Magen umdreht. Oft werde ich darauf angesprochen, wie das funktionieren soll und ob diese Aussage nicht ein wenig vermessen sei. Ich kann aber bereits vorgreifen: Klavierspielen ohne Noten ist weder vermessen noch unmöglich. Der Schlüssel dazu liegt in unserer Intuition.

Um es gleich zu Beginn deutlich zu machen: Ich persönlich finde Noten super! Ich möchte diese Art des Festhaltens und Übermittelns von Musik nicht missen und bin froh, sie als Kind gelernt zu haben. Aber: Ich bin ebenso davon überzeugt, dass du sie nicht brauchst, um Pop-Piano spielen lernen zu können! Kannst bereits Noten lesen – umso besser! Jedoch es ist viel elementarer für dich, Klavier nach Gehör spielen zu können, also Gehörtes nachzuahmen und umsetzen zu können.

Klavierspielen ohne Noten: die Vor- und Nachteile der Notenschrift

Vorteile:

  • eine universelle Sprache, weltweit einsetzbar
  • stellt rhythmische, tonale und harmonische Ereignisse genau dar
  • hilfreich zum Merken und Übermitteln von Musik

Nachteile:

  • verleitet zum reinen Abspielen der Noten statt zum Verständnis der musikalischen Zusammenhänge
  • Noten können das Feeling von Musik nur ungenügend darstellen (genaue Phrasierung, Groove etc.)

Ich habe es häufig erlebt, dass gestandene, klassisch geschulte Pianisten Popsongs am Klavier spielen wollten. Mit einem gut notierten Klaviersatz (detailliert notiert für rechte und linke Hand), sind sie selbstverständlich in der Lage, die Töne und den Rhythmus richtig zu spielen, aber irgendwie fehlt dabei oft der Groove und das Ganze will einfach nicht so richtig nach cooler Popmusik klingen.

Vergleichbar mit der Situation, in der ein Deutscher Portugiesisch spricht und obwohl er dabei Vokabeln und Grammatik völlig richtig benutzt, hören alle Umstehenden sofort, dass er eben kein Brasilianer ist. Musik ist eine Sprache, von daher finde ich diesen Vergleich immer ganz passend.

Klavier lernen ohne Noten: den Charakter eines Songs erfassen

Eine Sprache lässt sich nur bruchstückhaft in Schriftform darstellen. Vokabeln und Grammatik können dabei völlig richtig sein, aber die Aussprache, die Sprachmelodie, die Betonungen und der Sound bleiben dabei auf der Strecke. Und vielleicht kennst du das Gefühl: Du unterhältst dich mit jemandem, für den Deutsch eine Fremdsprache ist, und bist zwar von seinem Wortschatz beeindruckt, musst aber genau zuhören, um alles verstehen zu können, da seine Aussprache so anders klingt.

Jetzt mögen mir die Notenfetischisten an den Kopf werfen, dass Notenschrift viel genauer ist als ihr sprachliches Pendant. Und das ist mit Sicherheit auch richtig! Wie oben schon erwähnt, lässt sich Musik mit Noten genau darstellen, aber der Ausdruck wird nicht vollends transportiert. Selbst Zeichen wie Forte, Crescendo, Portato, Staccato, Ritardando etc. können nicht das Feeling und den Groove, also den Charakter eines Songs wiedergeben!

Klavierspielen ohne Noten mit piano-revolution.de

Wie lernst du nun Klavier und Popmusik zu spielen ohne Noten? Ganz einfach nach Gehör! So, wie jedes Kind seine Muttersprache erlernt: ohne Vokabelheft und Grammatikbuch. Einfach nur durch zuhören und nachahmen.

Kinder können beispielsweise innerhalb kürzester Zeit eine Sprache perfekt sprechen. Sämtliche Sprachen, die sie später lernen, werden sie nicht mehr auf diesem Niveau beherrschen. Natürlich kommt noch dazu, dass Kinder sich alles viel schneller und besser merken können und die Festplatte noch viel Speicherplatz hat – aber der „learning by doing“- oder eher „learning by hearing“-Effekt sollte dabei nicht unterschätzt werden!

Nochmal zurück zu diesem ursprünglichen Lernweg: Dir wird etwas gezeigt und du machst es einfach nach. Vielleicht ohne genau zu verstehen, warum das so geht und wie das funktioniert. Einfach erstmal Nachahmen, der Schritt des Verstehens kommt später.

TIPP

Ich habe auch immer wieder in meiner Tätigkeit als Klavierlehrer beobachten können, dass Kinder, denen ich das Akkordspiel vermittelt habe, viel unbefangener an die ganze Sache herangehen und im Gegensatz zu uns verkopften Erwachsenen nicht alles hinterfragen und sofort komplett verstehen wollen. Das kann sehr hilfreich sein.

Klavierunterricht mit Intuition: Klavier lernen nach Gehör

Nehmen wir mal an, du schaust eines meiner Tutorials, in dem ich erkläre, wie du mit vier Akkorden und einem bestimmten Rhythmus einen Song spielen kannst: Ich zeige dir dabei, wie du die Akkorde greifen musst und mit welchem Akkordsymbol (z.B. C7) sie sich im Leadsheet (also die Art, wie Popmusik häufig notiert wird) darstellen lassen. Und den Rhythmus spiele ich dir mehrfach vor und weise dich auf mögliche Fallstricke hin.

Damit weißt du erstmal alles, was du brauchst, um diesen Song spielen zu können. Klar ließen sich die Akkorde und der Rhythmus auch ganz klassisch in Notenschrift mit Violin- und Bassschlüssel notieren. Der Vorteil gegenüber einem klassischen Klavierunterricht nach Noten ist der, dass du siehst und vor allem hörst, wie ich das Ganze spiele. Und dann kannst du anfangen, genau auf die Details zu achten: Warum klingt es bei dir anders als in meinem Video? Bist du im Takt, wie laut und leise, lang und kurz spiele ich die einzelnen Akkorde, Akkordfolgen oder Töne? Und auf einmal bist du schon mittendrin, die Sprache der Popmusik zu lernen, weil du eben nicht nur etwas von Noten abspielst, sondern nach Gehör nachahmst und ein Gespür für den Song bekommst.

Warum wirst du Portugiesisch viel schneller und authentischer lernen, wenn du in Brasilien lebst, als wenn du daheim einen Kurs besuchst? Ganz einfach: In Rio de Janeiro hörst du den ganzen Tag, wie die Meister klingen!

Ein weiterer Vorteil ist, dass du dir automatisch Zusammenhänge merken musst, wenn du frei nach Akkorden spielst. Beispiel: Eine Akkordverbindung ist in den passenden Umkehrungen klassisch in Noten aufgeschrieben. Was macht der klassisch geschulte Pianist? Er spielt sie flüssig von Noten ab; schließlich ist er darauf trainiert. Was er aber deswegen noch nicht kann, ist dieselbe Akkordverbindung nur in Symbolen notiert (z.B. C  Fmaj7  Am7  Dm7  F/G) flüssig in nahe beieinander liegenden Umkehrungen zu spielen.

Das wiederum trainierst du automatisch, wenn du eben keine Noten vor dir hast, die dir haargenau vorschreiben, was du greifen musst.  Wenn du stattdessen ein Leadsheet mit reinen Akkordsymbolenvorliegen hast und bei einer beliebigen Umkehrung von C-Dur anfängst, bist du ab diesem Zeitpunkt gezwungen, möglichst schnell die passenden Umkehrungen der anderen Akkorde zu wissen. Und wenn du das eine Zeit lang gemacht hast, wird das fließend schnell gehen. Für mich persönlich sogar schneller, als wenn ich alles von Noten ablesen müsste.

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Notenlesen in der Popmusik: muss ich das können?

Ein klares Jein ;). Ich persönlich bin wie gesagt der Überzeugung, dass du zum Erlernen und Vorankommen viel weiterkommst, wenn du nach Gehör spielen lernst. Falls du bislang keine Noten lesen kannst, bleibt dir ja auch erstmal gar nichts anderes übrig. Und falls du mit der Notenschrift vertraut bist, versuche sie doch erstmal außer Acht zu lassen und komme später wieder darauf zurück.

Ich nutze Noten beispielsweise gerne, um Melodielinien festhalten zu können. Sei es eine kleine Bewegung in einem Popsong oder vielleicht sogar ein ganzes Solo eines Jazzstandards. Das könntest du dir wiederum zwar auch alles merken, aber dabei helfen Noten tatsächlich, um es auch noch nach einiger Zeit abrufbereit zu haben. Trotzdem ist es gut, wenn du diese Stücke nach Gehör spielst – also mit dem „Originaldialekt“ und nicht nur von Noten abgespielt.

Lange Rede kurzer Sinn: Noten sind eine tolle Sache! Aber eben oft eher im Weg, wenn es darum geht, richtig Pop-Piano oder Klavier spielen zu lernen. Betrachte diesen Blogpost als Einladung, die Noten ruhig mal beiseitezulegen und mehr deinem Gehör zu vertrauen. Und wenn du dich mal auf diesen Weg eingelassen hast, wirst du feststellen, dass er tatsächlich funktioniert! In diesem Sinne – boa sorte, wie der Brasilianer sagen würde!

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Du hast Fragen zum Thema Klavier lernen ohne Noten? In unserer FAQ findest du viele Hinweise und Antworten. Du kannst auch jederzeit Kontakt mit uns aufnehmen, gemeinsam finden wir die passende Lösung für dich.



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Akkordsymbole & was du darüber wissen solltest

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C, Bm7, F#add9, F/G… Wenn du dich mit dem freien Klavierspiel beschäftigst, wirst du ständig über diese und andere Akkordbezeichnungen stoßen. Doch was sagen diese Symbole genau aus – und was nicht?

Grundlagen

Da ich immer wieder bemerke, wie viel Unklarheiten bzw. Halbwissen dazu kursieren, möchte ich hiermit sämtliche gängigen Symbolschreibweisen auflisten. Und selbst wenn du dich als absoluten Akkord-Experten bezeichnen würdest, lese trotzdem weiter: Das ein oder andere Aha-Erlebnis kommt bestimmt…

C

  • C = C-Dur. Ein großgeschriebener Buchstabe steht für einen Dur-Akkord. Dieser besteht immer aus einer großen Terz (2 Ganztonschritte) und einer kleinen Terz (1,5 Ganztonschritte). Also c e g.

Cm

  • Cm = C-Moll. Ein großgeschriebener Buchstabe mit nachfolgendem kleinen „m“ steht für einen Moll-Akkord. Dieser besteht immer aus einer kleinen Terz (1,5 Ganztonschritte) und einer großen Terz (2 Ganztonschritte). Also c es g.

Praxistipp: Gewöhne dir an, bei Mollakkorden auch immer das „Moll“ dazuzusagen. Ich höre regelmäßig, wie die Akkordfolge von Songs nur mit den Grundtönen beschrieben wird: „Die Akkorde zu dem Song sind C, D, F, G.“ Dabei ist allerdings nicht klar, dass es sich bei dem D um einen D-Moll handeln soll – eine sehr wichtige Information, die die Stimmung eines Songs stark verändern kann!

  • c = einzelner Ton c. Mit kleinen Buchstaben bezeichne ich in meinen Texteinblendungen Einzeltöne. Das ist allerdings keine „amtliche“ Schreibweise.
  • Die früher öfters gesehene kleine Schreibweise (also „c“ für C-Moll) ist nicht mehr gebräuchlich.

B oder H?

  • Bm = Hm: Im Zuge der internationalen Standardisierung hat es sich eingebürgert, die deutsche Schreibweise H durch das englische B sowie das deutsche B durch Bb (also mit b-Vorzeichen) zu ersetzen.
    Überhaupt macht diese Notation viel mehr Sinn, da eine Tonleiter ja dem Alphabet entspricht: a b c d e f g. Wie sich da die deutsche Schreibweise a h c d… entwickeln konnte, ist mir nach wie vor ein Rätsel… ;)

Ich spreche zwar öfters vom „H“-Akkord, notiere ihn aber meist als B. „H“ nutze ich nur bei einigen Anfängervideos, um für keine weitere Verwirrung zu sorgen.

Die Zahlen hinter den Akkorden

  • C7 = C-Dur + 7. Ton der Tonleiter. Eine Zahl nach einem Akkord drückt immer aus, dass ein zusätzlicher Ton zum Akkord dazukommt. Diese Zahl ist dabei der Abstand zum Grundton des Akkords. Dabei gibt es zwei Besonderheiten zu beachten:
    • Der Grundton (hier c) wird bereits mitgezählt, da es sich um die Stufen der Tonleiter handelt und die beginnen nicht mit 0! Also c ist bereits 1.
    • Man zählt die Tonleiter und NICHT alle dazwischen liegenden chromatischen Töne. Also NICHT c, cis, d, dis etc., sondern c d e f g a b (<- der 7. Ton).
  • C7 / Cmaj7: Bei der 7. Stufe unterscheidet man zwischen kleiner und großer Septime. Die Kleine ist die um einen Halbton kleinere Septime, also b:

C7

  • C7 = C-Dur + kleine Septime: c e g b

Die Große (maj = major, groß) stellt dabei den üblichen Tonleiterton dar (also h in der C-Dur Tonleiter):

Cmaj7

  • Cmaj7 = C-Dur + große Septime: c e g h

Das funktioniert selbstverständlich auch bei Mollakkorden:

Cm7

  • Cm7 = C-Moll + kleine Septime: c es g b

Cmmaj7

  • Cmmaj7 = C-Moll + große Septime: c es g h

Der Letzte kommt eher selten vor. Ich nenne ihn immer den „James-Bond-Akkord“. Höre dir dazu mal den Schluss der Titelmusik an.

Cadd9

  • Cadd9 = C-Dur + 9. (bzw. 2.) Ton: c d e g.

Da ausschließlich der 9. Ton und NICHT zusätzlich der 7. Ton (siehe weiter unten erklärt) mitgespielt werden soll, wird darauf durch „add“ = additional hingewiesen.

Csus4

  • Csus4 = C-Dur + 4. Ton, allerdings ANSTELLE des 3. Tons: c f g

„sus“ bedeutet suspended / suspendiert. Wegen der starken Reibung zwischen e & f (nur ein Halbton auseinander) wird der 3. Ton e weggelassen.

Cadd11

Wenn du bewusst diesen „Reibesound“ mit allen 4 Tönen willst, kannst du ihn als Cadd11 ausdrücken, also c e g + der 11. (bzw. 4.) Ton f. Hier siehst du eine schöne Umkehrung davon.

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Anderer Grundton gefällig?

FG

  • F/G = F-Dur mit Basston g in der linken Hand. Diese Akkorde bezeichnet man als „Slash-Akkorde“. Das alte Spiel mit den Anglizismen: Slash = Schrägstrich. Und „Schrägstrich-Akkord“ würde ja irgendwie längst nicht so cool klingen ;)

Weitere Akkordmöglichkeiten

Wer sich schon mehr von den „Standardakkorden“ weggewagt hat, wird zum Beispiel auf folgende Bezeichnungen stoßen:

  • Wenn ein Zusatzton gespielt werden soll, der einen Halbton tiefer oder höher als der normale Tonleiterton liegt, wird dieser mit b bzw. # erniedrigt bzw. erhöht.

Cmb5

      • Cmb5 = C-Moll + 5. Ton, dieser allerdings um einen Halbton erniedrigt: g → ges, also c es ges. Dieser Akkord wird auch verminderter Akkord genannt und auch so notiert:

C5

      • C#5 = C-Dur + 5. Ton, dieser allerdings um einen Halbton erhöht. g → gis, also c e gis. Diesen nennt man auch übermäßig. Klingt irgendwie aufgeplustert.

C79

  • C7/9 = C-Dur + 7. + 9. Ton. Bei mehreren Zusatztönen werden diese einfach durch / an den Akkordbuchstaben angehängt. Heißt hier also: c e g b d
  • Zur übersichtlicheren Schreibweise werden allerdings die zuvor kommenden Zusatztöne automatisch mitgespielt. Dabei geht man in Terzschichtung (wie bei einem normalen Dreiklangsakkord) vor:
    • 1  3  5  7  9  11  13
    • c  e  g  h  d  f  a
    • C9 = C7/9 – daher schreibt man Cadd9, wenn NUR der 9. Ton dazu kommen soll
    • C11 = C7/9/11
    • C13 = C7/9/13 – Ausnahme hier: die 11. Stufe wird weggelassen!

Was die Akkordsymbolschrift NICHT wiedergibt

  • Umkehrung: aus einem C wird nicht klar, ob er in der Grundstellung oder in der 1. bzw. 2. Umkehrung gespielt werden soll.
    Wenn man dies ausdrücken will, dann z.B. durch Notation des obersten Tons des Akkordes in regulärer Notenschrift. Das mache ich beispielsweise in meinen „Melodie & Akkorde“-Videos.
    Ansonsten ist es dir selbst überlassen, in welcher Umkehrung du den Akkord greifst – oft ergibt diese sich aus dem Kontext des vorherigen Akkordes.

Bm

Bm7

  • Bm7: Grundton rechts weglassen – ja oder nein? Auch das wird durch die Akkordbezeichnung nicht näher festgelegt. Wie in verschiedensten Videos gezeigt, lasse ich persönlich oft den Grundton weg, da ich diesen ja schon in der linken Hand spiele. Aber auch das ist wieder reine Geschmacksfrage und dir selbst überlassen.

Cadd9 ohne c

Cadd9 ohne e

  • Das Gleiche gilt auch für andere Akkorde wie beispielweise den Cadd9: Du kannst neben allen 4 Tönen auch das c oder das e weglassen. Einfach ausprobieren, genau hinhören und kreativ werden.

Diese Aufzählung ist natürlich nicht abschließend zu sehen, aber das sind mal die wichtigsten und für dich praxisrelevantesten Akkordbezeichnungen.

Hast du Fragen dazu? Dann lass doch deinen Kommentar da, den ich gerne beantworte. So haben dann alle etwas davon!



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Songanalyse: Ed Sheeran – Perfect

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Einführung

Es ist mal wieder Zeit für eine Songanalyse. Diesmal ein Song eines außergewöhnlichen Künstlers, der derzeit weltweit die höchsten Chartpositionen erreicht: „Perfect“ von Ed Sheeran aus seinem letztjährigen 3. Soloalbum „Divide“.

Wenn du lernen willst, wie du den Song am besten am Piano spielen kannst, habe ich das passende Tutorial für dich – hier der Trailer dazu:

How to play „Perfect“ by Ed Sheeran kannst du z.B. innerhalb der 14 Tage kostenlosen Testphase unseres Abos einfach anschauen und ausprobieren!

Laut eigener Aussage wollte er damit seinen bisherigen Top-Lovesong „Thinking out loud“ übertrumpfen. Ob ihm das gelungen ist, bleibt letztlich wohl immer persönliche Geschmacksache.

„Perfect“ ist in As-Dur geschrieben – einer sehr „warm“ klingenden Tonart. Jede Tonart hat nämlich eine gewisse Charakteristik und so würde der Song in C-Dur wohl weitaus weniger interessant klingen!

Dazu gleich ein Praxisbezug für dich: Probiere mal aus, einen dir bekannten Song in einer anderen Tonart zu spielen, und achte darauf, wie es sich anfühlt. Wenn du noch nicht so geübt im Transponieren bist, kannst du auch mit der Transpose-Taste eines Digitalpianos „schummeln“. Ich habe jedenfalls immer wieder bei transponierten Versionen von Songs das Gefühl, dass es irgendwie anders klingt und nicht mehr unbedingt das Originalgefühl des Songs trifft.

Genau Hinhören

Schnapp´ dir am besten einen guten Kopfhörer, höre dir den Song einmal komplett an (z.B. auf Youtube, Spotify Player oder Spotify Web) und gehe dann mit mir auf Entdeckungsreise, spule fleißig hin und her und achte auf all die spannenden Details.

Aber erst noch mal zurück zum Gesamtüberblick: „Perfect“ steht im 12/8-Takt und besteht aus folgender Songstruktur: Vers 1 – Chorus – Interlude – Vers 2 – Chorus – Interlude – Chorus – Outro. Das Intro besteht lediglich aus einem eintaktig ausgehaltenen Ab-Powerchord mit angezerrtem Hammond B3-Orgelsound und leichtem Schallplattenknistern für den analogen Vibe. Powerchord bedeutet, dass lediglich Grundton und Quinte (also as & es) gespielt werden und auf die Terz, die ja über Dur / Moll eines Akkordes entscheidet, verzichtet wird.

1. Detail: Dieser Orgelsound, der am Anfang und im 1. Vers so gut zu hören ist, zieht sich durch den ganzen Song. Er fehlt lediglich in den Breaks, in denen sämtliche Instrumente kurz „atmen“. Außerdem ist er immer in der gleichen engen Lage und hat je nach Akkordwechsel nur minimale Tonveränderungen. Die Orgel fungiert also wie eine Art „Kleber“, die im Hintergrund alle anderen Instrumente im Arrangement zusammenhält und sich leise und zurückhaltend hindurchzieht. Spätestens im Chorus ab 1:04 ist sie durch den Einsatz der Streicher zwar schwerer zu hören, aber nach wie vor vorhanden.

Mach mal das Experiment und höre dir die ganze Nummer nur unter diesem einen Gesichtspunkt an: Kannst du der Orgel immer folgen? Das wird dein Gehör für selektives Hören schulen!

Aufbau und Arrangement

Schauen wir uns jetzt mal den Aufbau des restlichen Arrangements an: Die von Ed gespielte E-Gitarre spielt sämtliche 12 Achtel des Taktes aus und trägt damit von Beginn an den Rhythmus. Achte mal auf seine Phrasierung: Er betont immer die Erste von 3 Achteln. Den gesamten Akkordverlauf kannst du hier auf dem Leadsheet nachverfolgen.

Nach den ersten 8 Takten des Verses kommt im 2. Teil (ab 0:33) der Bass mit überwiegend lang gespielten Noten dazu. Diese wechseln sich häufig auf der 6. bzw. 12. Achtel mit einer oder auch mal mehreren kurzen Noten ab – eine typische 12/8-Begleitfigur. Außerdem wird der Backbeat ab jetzt durch ein dumpf klingendes Drumsample unterstützt. Backbeat bedeutet ja die Betonung auf die Zählzeiten 2 & 4 im 4/4-Takt; im 12/8-Takt wären das die 4. sowie die 10. Achtel. Hörst du übrigens noch das Plattenknistern?

Nach dem 2. Break beginnt der Chorus und es ist immer noch kein Schlagzeug zu hören – ungewöhnlich. Dafür setzen als Steigerung jetzt Streicher und Background-Vocals ein und geben dem Track damit die gewisse Portion Weite. Interessant dabei die abwechselnden Funktionen der beiden Elemente: Im 1. Teil des Choruses erklingen lange gehaltene Liegetöne (die eben beschriebene Weite) sowie „Uh“-Chöre, die sich langsam in Höhe und Intensität steigern. Ab 1:27 „breath, but you heard it…“ singen die Background-Vocals mehrstimmig den Text mit und das Orchester zupft die Akkorde. Achte hier mal genau darauf, wie sie diese spielen: Auf die 1 kommt der gezupfte Basston, auf die 4. Achtel (Backbeat) der ein bisschen höher gespielte Akkord. Das gleiche Prinzip wiederholt sich dann noch 2x, bis Ed auf „perfect tonight“ den Chorus alleine abrundet. Diese kleinen Details sind es, die Songs über die gesamte Spieldauer für den Zuhörer interessant halten – ob bewusst oder unbewusst!

Wenn wir schon bei den Feinheiten und Veränderungen sind: Höre mal auf die verschiedenen Breaks in den Versen. So kommen im 1. Vers noch 2 Breaks vor (8. bzw. 16 Takt) – in Vers 2 nur noch einer im letzten Takt. Außerdem spielt Ed beim 1. Mal (1:01) auf der Gitarre Es Es sus4 Es – beim 2. Mal (2:39) Es sus4 Es Es. Kleine, aber nicht unwichtige Details.

Auch spannend: das Orchester bei 2:11. Da kommt auf einmal ganz kurz ein doch recht dissonant klingender Akkord auf, der sich aber sofort wieder in Wohlgefallen auflöst. Beim 1. Hören habe ich  kurz zurückgespult und mich gefragt, ob sich hier irgendwer verspielt hat ;) – so unerwartet kam dieser Akkord. Also auch wieder ein Element zur Spannungssteigerung!

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Überhaupt finde ich es sehr interessant nur mal dem Streicherarrangement zu folgen: Zu Beginn (1:01) wie oben schon erwähnt lang gehaltene Noten und die danach kurze Pizzicatostelle (pizzicato = gezupft). Dann das Interlude, bei dem das Orchester die Melodie übernimmt. Ab Vers 2 kommen schöne Gegenmelodien dazu, die die Vocals ergänzen, ihnen aber nie im Weg stehen. Diese steigern sich über den Verlauf des Verses hin und wandern langsam in immer höhere Lagen. Insgesamt bringen die Streicher die nötige Portion Romantik in den Song, ohne aber in klischeebehafteten Kitsch abzudriften.

Die Rolle des Pianos in „Perfect“

Für uns als Pianisten müssen wir natürlich endlich mal zur spannenden Frage kommen, welche Aufgabe denn das Klavier in „Perfect“ übernimmt. Erstmal gar keine – zumindest für die ersten 2 Minuten. Dann ab 2:12 (2. Teil von Vers 2) kannst du hoch gespielte Akkorde als kurze Achtel wahrnehmen. Allerdings musst du genau hinhören, da das Arrangement an dieser Stelle bereits recht dicht ist und das Piano dadurch nicht so sehr auffällt. Dann wirst du auch merken, dass der Pianist nicht alle 12 Achtel des Taktes ausspielt, sondern immer wieder mal die 1. bzw. die 7. Achtel auslässt.

Als Keyboarder könntest du also das Stück wunderbar umsetzen, indem deine linke Hand die durchgehend gehaltenen Orgeltöne spielt und die rechte dann die Akkordachtel mit Klaviersound übernimmt. Dazu kannst du dir entweder deine Tastatur splitten, so dass du unten Orgel und oben Klavier hast, oder du nutzt (wie viele Bandkeyboarder) sowieso mehrere Tastaturen, auf denen du bequem die verschiedenen Sounds aufteilst. Das ist übrigens eine Standardaufgabe des Keyboarders: Welche Sounds kommen im Song vor und wie kann ich sie mir aufs Keyboard bzw. meine Hände verteilen? Damit kommt man bisweilen auch auf herausfordernde Unabhängigkeitsübungen, wenn z.B. die linke Hand auf einmal einen speziellen Piano-Groove spielen muss und die rechte Hand für Bläsereinwürfe zuständig ist. Aber an Herausforderungen wächst man ja bekanntlich ;).

 

Zurück zu „Perfect“: Die Drums kommen schließlich in Vers 2 (ab 1:42) mit einer minimalistischen Begleitung hinzu, die ab dem 2. Teil des Verses (2:12) zu einem vollen Beat erweitert wird und als solche den restlichen Song hindurch läuft.

Und hast du zwischenzeitlich mal wieder auf die E-Gitarre gehört? Die hatte ja zu Beginn noch das tragende rhythmische Gerüst mit durchgehenden Achtelakkorden inne, welches sie aber ab 2:12 an das Piano abgibt. Ab dann lässt sie sich erstmal nur erahnen. Spielt sie Akkorde auf den Backbeat? Ich kann es nicht genau sagen. Aber ab dem 2. Chorus (2:43) ist sie auf jeden Fall klar und deutlich auf die Achtel-Zählzeiten 4 und 10 zu hören.

Wie mit der berühmten Zwiebel könnte man jetzt noch Schicht für Schicht weiter schälen und immer noch weitere interessante Details finden. Mir ging es zumindest beim Schreiben dieses Blogs so, dass mir bei jedem erneuten Hören weitere raffinierte Kleinigkeiten aufgefallen sind. Ein letztes Beispiel dafür: Der kurze Einsatz einer gezupften Akustikgitarre im Interlude bei 1:35. Sie taucht kurz als Element auf und verschwindet ebenso schnell wieder.

Welche spannenden Sachen fallen dir noch auf?

Poste sie doch als Kommentar unter diesen Blogeintrag!

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, „Perfect“ selbst zu spielen – hier nochmal mein Tutorial dazu.

Und so bleibt letztlich Ed Sheeran nur zu wünschen, dass er mit der in dem Song Angebeteten tatsächlich sein privates Glück findet, wenn er für sie schon so ein spannend arrangiertes Stück komponiert hat.

 



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Songanalyse: Michael Jackson „Man in the Mirror“

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Songanalyse – wirklich zuhören

Im heutigen Blog möchte ich mir mit dir zusammen mal einen Song ganz genau anhören. Du kannst nämlich total viel zu den Themen Poppianospiel, Songaufbau, Arrangement, Bandzusammenspiel und ganz allgemeines Musikverständnis lernen, wenn du einen Song genau analysierst!

Ich habe irgendwo mal den Spruch gehört: „Es ist besser, einen Song 10 Stunden lang zu hören als 10 Songs eine Stunde lang“. Und das ist in der heutigen Zeit, in der wir mit Spotify & Co. quasi Direktzugriff auf Millionen von Titeln haben, gar nicht mal so einfach. Ich merke oft selbst, wie ich  Songs kurz „checke“, aber mir gar nicht die Mühe mache, sie genauer zu untersuchen, richtig kennenzulernen und sie wie eine Zwiebel Schicht für Schicht zu schälen. Warum? Weil da schon wieder zig andere darauf Songs warten, angehört zu werden. Aber immer wenn ich dann doch mal so richtig in einen Song eintauche, habe ich danach das Gefühl, ihn wirklich zu kennen, mit ihm etwas zu verbinden, ja vielleicht sogar meine eigene Geschichte mit ihm zu haben. Und so möchte ich dich heute mit hinein nehmen in einen meiner Lieblingssongs von Michael Jackson – „Man in the Mirror“. Also schnapp‘ dir doch einen Kopfhörer (oder gute Boxen), höre dir den Song an (z.B. hier auf spotify) und wir schauen mal, was wir dabei so alles entdecken können!

Geschichte von „Man in the Mirror“

Der Song wurde 1987 auf seinem 3. Soloalbum „BAD“ veröffentlicht und ging als 4. Singleauskopplung des Albums Anfang 1988 auf Platz 1 der US-Billboard-Charts. Aus heutiger Sicht ungewöhnlich dabei ist schon mal die Songlänge von 5:19 min. Heute sollen Charthits 3:30 min nicht überschreiten – die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums scheint also vor 30 Jahren noch größer gewesen zu sein :). Geschrieben wurde „Man in the Mirror“ nicht von Jackson selbst, sondern von Siedah Garrett und Glen Ballard. Siedah fungierte damals übrigens auch als Duett- und Backgroundsängerin von Michael. Produziert wurde die Nummer wie die beiden vorherigen Alben „Off the Wall“ und „Thriller“ vom genialen Quincy Jones.

Aufbau

„Man in the Mirror“ ist in G-Dur und startet klassisch im Vers – PreChorus – Chorus – Prinzip, geht aber nach dem 2. Chorus statt der obligatorischen Bridge anders weiter:

Vers 1 (doppelter Vers) – PreChorus – Chorus – Vers 2 – PreChorus – Chorus (doppelt) – verlängerter Chorus (+ Gospelchor) mit plötzlichem Tonartwechsel nach Ab-Dur bei 2:54 min.

 

Interessanterweise nicht durch eine Modulation, also einen Tonartwechsel, der angekündigt und mit Zwischenakkorden eingeleitet wird, sondern durch eine Rückung, also den unvermittelten Start der neuen Tonart. Schön dabei der Break auf die Zählzeit „3und“ („make that“) und der Neueinstieg in Ab-Dur auf „change“. Das ist ein tolles Beispiel, wie Musik den Text unterstützen kann. Die vorrangige Botschaft des Songs ist ja, im Angesicht der ganzen Nöte der Welt einen Unterschied zu machen und dabei bei einem selbst, also dem „Man in the Mirror“, zu beginnen. Mit dem Break und der Rückung bekommt das Wort „change“ eine besondere Betonung – als Appell an den Hörer sozusagen! Dieser wird danach durch den mehrfach wiederholten Chorus und der fortlaufenden Phrase „Make that change“ unterstrichen, unterstützt von einem ermutigenden Gospelchor. Dazu später noch eine private Anekdote.

Nach diesem Höhepunkt könnte der Song eigentlich bei um 3:54 min herum enden, aber Michael nimmt einen neuen Anlauf, nach 8 Takten kommt wieder der Backbeat dazu (Schlagzeugbetonung auf Schlag 2 & 4) und er appelliert weiter an sich und uns, doch einen Unterschied zu machen.

Ich glaube, als Musiker ist man leicht in Gefahr, sich beim Musikhören vorzugsweise auf das eigene Instrument zu konzentrieren und den Text erstmal außer Acht zu lassen. Mir ging es zumindest schon häufig so. Aber wenn du einen Song wirklich verstehen willst, ist der Text als Transportmittel der Botschaft unerlässlich! Also google ruhig mal nach Songlyrics oder lese im CD-Booklet mit.

Einzelne Instrumente im Detail

Lass uns aber jetzt nach diesem Gesamtüberblick mal mehr ins Detail gehen und checken, was die einzelnen Instrumente so machen:

Die Nummer beginnt mit einer eingängigen Melodie mit einem 80er-Glockensound, der mit einem Viertel-Delay versehen ist (also ein Echo-Effekt, der genau zum Songtempo passend einen Viertelschlag später kommt). Hör mal bei 0:05, wie die Töne g und d doppelt nachklingen. Das ist nicht gespielt, sondern kommt durch das Delay. Dadurch klingt der Sound, der am Anfang ganz alleine steht, räumlicher und tiefer. Für mich ist der Songbeginn so ein „Trademark-Lick“: Ich habe es zigmal erlebt, dass ich „Man in the Mirror“ auf einer Party am Keyboard mit diesem Sound zu spielen beginne und gefühlt jeder im Publikum in diesem Moment weiß, was jetzt kommt. Also die Verbindung von dieser Melodie mit diesem Sound scheint unverkennbar zu sein!

Zu der Melodie dazu kommen nur ein paar Ad-libs (mhhs, aahs, oohs) von Michael sowie Schnipser und ein Shaker. Unterm Kopfhörer kannst du auch gut hören, wie der Shaker bei 0:06 mal von links, von rechts und wieder von links kommt. Kleine unscheinbare Details, die aber das sogenannte Salz in der Suppe sind!

Die Glockenmelodie bleibt und Michael singt den 1. Teil des Verses dazu. Ab dem 2. Teil (0:29 min) kommen weitere Keyboardsounds hinzu (80er E-Piano + Flächensound), die die Grundmelodie unterstützen und weiterführen. Diese wird aber weiterhin als eine Art Antwort gespielt (ab 0:33 min).

Jetzt steigt auch das Schlagzeug mit ein, allerdings nur mit sehr wenigen Elementen:

  • eine Kick (also die tiefe große Trommel, die mit dem Fuß gespielt wird) auf 1 & 2und.
  • ein Sidestick auf die 4 (beim Sidestick wird nur der Rand der Snaretrommel angeschlagen – klingt also höher und leichter).

Danach folgt ab 0:49 min der PreChorus, also der Zwischenteil, der auf den eigentlichen Chorus hinleitet. Die Keyboards springen zum 1. Mal tiefer – der ganze Sound des Songs wird dadurch fülliger und baut sich langsam auf. Dabei spielt Greg Phillinganes (einer DER Top-Keyboarder der letzten 40 Jahre und langjähriger Begleiter und Musical Director von Michael) tiefe Achtel-Arpeggios auf 1, 1und & 2 in der linken Hand und dann kommt der ganze Akkord rechts dazu.

Ein guter Trick zum Abschauen für uns: warum nicht mal einen Song eher leicht und luftig in den höheren Oktaven beginnen und erst nach einiger Zeit nach unten wechseln?!

Dazu kommt eine hohe Streicherlinie, die langsam Ton für Ton nach oben schreitet. Hör mal ganz genau hin; sie ist relativ leise und eher auf der linken Seite zu hören (wenn du deine Kopfhörer richtig herum aufgesetzt hast :)). Langsam verdichtet sich das Arrangement auch soweit, dass man gar nicht mehr im Detail sagen kann, welcher Keyboardsound was genau spielt. Ich vermute auch im PreChorus bereits eine effektbeladene Gitarre zu hören, die sich elegant mit den ganzen Keyboardsounds vermischt. Die Gitarre als solches hörst du dann spätestens ab 3:55 min mit ihren typischen Singlenotes (also einzelne, oft gleiche Noten nacheinander).

Zurück zum PreChorus: Ist dir aufgefallen, dass wir bis jetzt noch keinen Bass gehört haben? Der startet nämlich erst ab 1:06 min mit einem Auftakt zum Chorus hin. Also bis hierhin schon mal ein wunderschönes Beispiel für einen Songaufbau, bei dem Schritt für Schritt weitere Instrumente hinzukommen, um den Song langsam zu steigern und der Synth-Bass (also kein E-Bass-Sound einer Bassgitarre, sondern ein mit einem Synthesizer erzeugter Basssound) erst im Chorus dazukommt, wenn es zum 1.Mal „fett“ klingen soll! Eine weitere Steigerung passiert beim Interlude nach dem 1.Chorus (1:27 min), wenn das Schlagzeug vom leichten Sidestick auf die Snare wechselt und einen harten Backbeat (siehe oben) spielt. Der geht ab dann erstmal durch.

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Rhythmus & Harmonik

Auch die Rhythmik im Chorus ist interessant – achte dabei mal auf die Keyboards: Die Akkorde kommen auf die Zählzeiten 1, 3 & 4und (Synkope) und im 2. Takt auf 3 & 4. Diese zwei Takte sind dann gleich minimal verändert: Wir haben eine weitere Synkope (also eine vorgezogene Note) auf der 2und. Das 3. Mal ist dann wieder wie das 1. Mal.

 

Die Akkorde dabei:

||: G   G/B   | C   C/D     :||

| G   G7/B   | C   A7/C#   |

| Dm7/4      |                     |

Die Harmonik ist also auch nicht ganz gewöhnlich à la 4-Chordsong, sondern die Standardkadenz in G-Dur wird mit A7/C# und Dm eindeutig verlassen. Das zieht sich übrigens durch viele Songs der 80er Jahre: Ein harmonisch durchaus anspruchsvolles Songwriting.

Heraushör-Übung

Zum Heraushören der einzelnen Instrumente kannst du gleich mal folgende Übung machen: Du startest den Song von vorne und probierst dich ausschließlich auf ein Instrument zu konzentrieren.

Also beispielsweise der Glockensound: Am Anfang natürlich völlig gut hörbar, weil er fast allein steht. Dann im 2.Teil des Verses kommt er nur als Antwort. Im PreChorus und Chorus ist er nicht zu hören, beginnt aber wieder ab 1:33 min mit dem Antwort-Motiv vom Beginn. Dieses kommt auch wieder beim 2.Vers usw.

Oder die Streicher ab 0:49 min, die mit einem hohen g einfaden (Tipp: ab 0:50 min sind sie leichter zu hören!). Deren Melodie geht wie gesagt schrittweise immer höher. Der letzte hohe Ton g (jetzt eine Oktave höher als zu Beginn der Melodie) bleibt dann erstmal im Chorus liegen. Dann scheinen sie verschwunden, aber ab 1:21 min kannst du wieder einen Tonwechsel (a und d) hören. Sehr subtil, aber doch hörbar. Wenn du es nicht auf Anhieb wahrnimmst, höre dir die Stellen einige Male an und probiere auch mal, die Töne am Klavier mitzuspielen. Das kann dir bei der präziseren Wahrnehmung helfen.

Oder achte nur mal auf den Synth-Bass ab dem Chorus: Er spielt total geile und ausgefuchste Gegenmelodien – also höre dir doch den ganzen Song nur mal unter dem Gesichtspunkt „Bass“ an!

Ein akustisches Piano kommt übrigens auch noch dazu: Direkt bei dem Tonartwechsel ab Ab-Dur bei 2:54 min spielt Greg volle Oktav-Akkorde (also Ab-Dur z.B. als as c es as) rhythmisch interessant dazu. Achte z.B. mal auf die 16tel-Synkope bei 2:59 min oder seine Auffüller bei 3:02 min. Also ein weiteres Steigerungselement zusätzlich zur Rückung und dem Gospelchor.

Meine Geschichte mit dem Chor-Lead Andraé Crouch

Zum Gospelchor wollte ich ja noch wie anfangs erwähnt eine private Anekdote erzählen: Es handelt sich bei der Aufnahme um die Andraé Crouch-Singers. Andraé Crouch zählte zu den Urvätern des modernen Gospels und wurde von vielen bekannten Popacts immer wieder gebucht, wenn es um authentisches Gospelfeeling ging. Während meiner Zeit in Los Angeles 2010 hatte ich das Privileg, Andraé persönlich kennenzulernen und mit ihm öfters Musik zu machen. Selten habe ich einen so demütigen und liebevollen Musiker kennengelernt, der trotz seines Erfolgs (9 Grammys, Stern am „Walk of Fame“ in Hollywood etc.) völlig auf dem Teppich geblieben ist, nur auf Nachfrage von sich erzählt und vor allem daran interessiert war, was sein Gegenüber musikalisch so treibt. Jedenfalls hat Andraé bei „Man in the Mirror“ die Vocals arrangiert und mit seinem Chor eingesungen. Als ich 2010 mal wieder abends bei ihm war, meinte er, er müsse noch ein Chorarrangement machen und ich solle das Ganze aufnehmen. Man muss dazu wissen, dass Andraé keine (!) Noten lesen kann, sondern alles intuitiv und nach Gehör macht. Also habe ich in seinem kleinen Homestudio nacheinander die einzelnen Chorstimmen am Computer aufgenommen, die eine Sängerin seines Chores auf sein Vormachen hin eingesungen hat. Es war also ein völlig natürliches Ausprobieren, Anhören, eine 2. Stimme dazu probieren, diese wieder verwerfen und eine weitere ausprobieren etc. Also genau die Art von Ausprobieren, die ich in meinen Videos immer wieder predige ;).

Am Schluss hatten wir dann zu dem Demo sein mehrstimmiges Chorarrangement. Das haben wir dann auf CD gebrannt und als er mich ein paar Tage später zur Studiosession in ein großes Tonstudio in LA mitgenommen hat, hat er einfach einen tragbaren CD-Player aufgestellt, seinem Chor (der so aus 10-12 Personen bestand) gesagt, jeder solle sich mal seine Stimme anhören und anschließend haben die stimmgewaltigen schwarzen Sängerinnen und Sänger das Ganze im Kreis stehend um zwei Mikrofone eingesungen. Ich weiß noch zu gut, wie ich mit Gänsehaut in der Regie saß und mir damit nur zu gut bildhaft vorstellen konnte, wie das wohl damals bei der Michael Jackson-Session abgelaufen sein muss! Für mich war es ein ganz besonderer Moment, miterleben zu dürfen, wie die ganz Großen arbeiten.

Abschluss – take a look at yourself and then make a change!

Jetzt könnte man noch viel weiter in Details des Songs gehen, aber ich denke du hast eine Ahnung davon bekommen, was es bei genauem Hinhören so alles zu lernen und zu entdecken gibt! Also wenn dir „Man in the Mirror“ genauso gut gefällt wie mir, hoffe ich, du hast viel Spaß dabei, den Song zu untersuchen, seine verschiedenen Parts mal ganz genau zu beachten und zu verstehen, was genau da eigentlich so vor sich geht.

Und dann höre dir den Song auch wiederum als Ganzes an, oder schau dir mal das Musikvideo dazu an. Dieses unterstreicht mit seinen zusammengeschnittenen Clips von verschiedensten Katastrophen, Staatsoberhäuptern und Friedensbringern einmal mehr die Message des Songs. Michael ist dabei untypischerweise quasi nie zu sehen, mit einer kleinen Ausnahme ab 4:40 min, wo er rot gekleidet in mitten von Kindern steht.

 

Und abgesehen von allen interessanten Sounds, Akkorden und Synkopen ist der Aufruf des Songs in einer von Krisen, Krieg und Armut geschüttelten Welt heute aktueller denn je: „If you wanna make the world a better place, take a look at yourself and then make a change!“.

 



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